Das Urteil der Experten ist eindeutig: Männer und Frauen trifft der Klimawandel unterschiedlich stark. Vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern leiden Frauen deutlich länger und härter als Männer unter den Auswirkungen von Dürren, Überschwemmungen und Stürmen. Warum ist das so?
Wenn das Wasser knapp wird
In Afrika, Asien und Lateinamerika sind es auch heute noch größtenteils die Frauen, die dafür verantwortlich sind, die Familie mit Wasser und Essen zu versorgen. In der Karibik und in Afrika südlich der Sahara produzieren sie etwa 80 Prozent aller Nahrungsmittel. Wenn das Wasser knapp wird, merken es die Frauen also zuerst. Denn langanhaltenden Hitze und Dürre bedeuten, dass Brunnen austrocknen und ihre Wege zum Wasser- und Brennholzholen immer länger werden. Das steigert nicht nur ihre Arbeitslast. Auch die Gefahr vor sexuellen Übergriffen und Vergewaltigung nimmt zu, wie eine Studie der Weltnaturschutzorgansiation IUCN belegt.
Was die Studie auch zeigt: Es sind häufig die Mädchen, die ihren Müttern bei der Feld- und Hausarbeit helfen müssen. Kochen, sauber machen, sich um Geschwister kümmern oder Wasser holen – diese Arbeiten erledigen doppelt so häufig Mädchen wie Jungs. Werden die Ernten schlechter und das Einkommen knapper, können sich die Eltern die Schulgebühren nicht mehr leisten. Die ersten, die sie dann zuhause lassen, sind die Töchter. Schlechte Ernten und Dürre sind in Ländern wie Äthiopien und dem Sudan auch ein Grund, die Mädchen früh zu verheiraten. Manchmal, um einen Esser weniger versorgen zu müssen. Oft aber auch, weil sie im Tausch Vieh oder Geld erhalten, mit dem sie den Rest der Familie ernähren können.
Werden die Ernten karger und die Böden trockener, sind es oft die Männer, die in die Städte gehen oder in andere Länder fliehen, um dort nach Arbeit zu suchen. Die Frauen bleiben mit den Familien zurück. Nur haben sie selten die nötigen Ressourcen, um an ihrer Situation etwas zu ändern. Denn Frauen haben oft keine Eigentumsrechte. Obwohl sie zum Großteil die Felder bestellen, gehört ihnen weltweit nur 20 Prozent des Bodens. Und auch die finanziellen Mittel bleiben ihnen verwehrt: Laut dem „Global Gender Gap Report 2019“ des Weltwirtschaftsforums können Frauen in 72 Ländern keine Bankkonten eröffnen oder Kredite aufnehmen. Die bräuchten sie aber, um etwa in Dünger, neue Technologien für den Anbau oder ein Mini-Business zu investieren. Häufig werden die Kredite auch an Landbesitz gekoppelt – ein Teufelskreis.
Unwetter, Flutkatastrophen und Überschwemmungen
Vier von fünf Naturkatastrophen weltweit sind laut des „World Desaster Reports“ des Roten Kreuzes auf extremes Wetter und die Folgen des Klimawandels zurückzuführen. Die Opfer, so belegt eine Studie der London School of Economics, sind vor allem Frauen.
Ein Beispiel: Beim Zyklon Sidre in Bangladesch 2007 waren 80 Prozent der Opfer Frauen und Mädchen. Das liegt auch an stereotypen Rollenmustern – Frauen sind häufiger zu Hause, sie kümmern sich um Kinder und Angehörige und haben schlechteren Zugang zu Informationen wie Warnungen vor Katastrophen. Sie sind weniger mobil, besitzen selten Fahrzeuge, haben die Verantwortung für Kinder und Alte. Frauen mit Kindern und Schwangere können schlechter fliehen und sich in Sicherheit bringen – oder sie sterben beim Versuch, Kinder und Verwandte aus den Fluten zu ziehen, weil sie nie gelernt haben zu schwimmen. Auch das lernen in vielen Ländern eben oft nur die Männer.
Der Zyklon ist kein Einzelfall. Ähnlich sehen die Zahlen beim Tsunami in Südostasien aus, bei dem vier Mal mehr Frauen als Männer starben, und auch bei Flutkatastrophen in Bangladesch, Indien und Nepal, waren die Mehrzahl der Opfer immer Kinder und Frauen.
Wenn die Hitze zu schlägt
Das Phänomen, dass die Folgen des Klimawandels die Frauen stärker treffen, zeigt sich aber nicht nur in Entwicklungsländern. Auch in Europa führt sich der Trend weiter fort. Hitzewellen in Südeuropa ließen die Sterberaten bei älteren Frauen () dramatisch in die Höhe schnellen. Warum? Dazu gibt es nur Vermutungen. Eine ist, dass sie sich aufgrund von geringerem Einkommen die Wohnanlagen mit besserer Durchlüftung und kühlender Architektur schlichtweg nicht leisten können und deshalb dort leben, wo die Temperaturen an heißen Tagen auf über 50 Grad steigen. Eine andere ist, dass Frauen im Gegensatz zu Männern, auch im Alter öfter allein leben und nicht von Angehörigen versorgt werden. So haben sie niemanden, der schnelle Hilfe leisten kann, wenn es hart auf hart kommt."
Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen bei Naturkatastrophen ums Leben kommen liegt um ein Vielfaches höher als bei Männern", stellte so auch das Europäische Parlament in einem Bericht fest. Es fordert, dass man auf „eine genderorientierte Klimaagenda hinarbeitet."
Ist ein neuer Genderplan der Ausweg?
Bereits 2001 hat die UN-Klimarahmenkonvention das Thema „Gender und Klima“ zum ersten Mal aufgegriffen. Seit dem Klimagipfel 2012 in Doha ist Gender ein fester Punkt auf der Tagesordnung der Klimakonferenz – und das ist auch gut. Nur rund 30 Prozent der Delegierten an Klima-Verhandlungen sind weiblich, die Interessen der Hälfte der Weltbevölkerung ist also nur schlecht vertreten.
2017 haben die UN den „Gender Action Plan“, kurz GAP, verabschiedet. Dabei wurden fünf Haupt-Punkte festgehalten, die zu mehr Klimagerechtigkeit führen sollen. Etwa „Capacity Building“, also Know-how aufbauen und Wissen austauschen, damit Frauen selbstbestimmter handeln können. Oder „Gender Balance“, damit Frauen künftig deutlicher umfassender als bisher eingebunden werden können. Außerdem sieht der Plan vor, dass die Geschlechterfrage bei der Umsetzung der Pariser Klimaziele auch auf nationaler Ebene bedacht werden soll.
Das Problem des GAP: Er gibt Empfehlungen, sieht aber keinerlei Sanktionen vor. Damit ist er erstmal viel heiße Luft. Deswegen kommt auch eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes zu dem Schluss, dass Geschlechtergerechtigkeit im Klimaschutzgesetz fest verankert werden sollte.
Trotzdem ist der Gender Actiton Plan ist ein Riesenschritt in die richtige Richtung. Weil er das Bewusstsein schafft, dass es erhebliche Ungleichheit zwischen Männern und Frauen gibt, was die Folgen des Klimawandels angeht. Und dass sich das ändern lässt, wenn mehr Frauen involviert werden.