Super Trees: Nachhaltige Stahl-Riesen
Jeden Abend, wenn es dunkel wird in Singapur, startet eine Show mit speziell choreografierter Musik und synchronisierter aufwendiger Beleuchtung namens Garden Rhapsody. Das klingt nicht nachhaltig? Wenn es sich dabei um die Super Trees handelt, ist es das aber: Denn die Stahlgerüste erfüllen gleich mehrere umweltfreundliche Aufgaben.
Unter dem Namen „Gardens by the Bay“ hat Singapur 2012 ein rund hundert Hektar großes parkähnliches Gelände eröffnet, das auf künstlich aufgeschüttetem Land liegt. Neben zahlreichen Grünanlagen und echt Bäumen finden sich dort auch die 18 Super Trees. Sie sind Mammutbäumen nachempfunden – und sollen auch ähnliche Funktionen erfüllen. Mit einer Höhe von 25 bis 50 Metern dienen die Gebilde nämlich als vertikale Gärten: Auf den Stahlgerüsten wachsen mehr als 158.000 Pflanzen, darunter mehr als 700 Arten Bromelien, Orchideen, Farne und tropische Kletterpflanzen.
Super Trees sind die ökologische Attraktion
Elf der Super Trees haben noch weitere Aufgaben: Einige tragen Photovoltaik-Zellen in ihren Baumkronen, um Energie zu gewinnen und so die nächtliche Beleuchtung der Super Trees auszugleichen. Andere dienen als Belüftungsschächte für die Gewächshäuser und führen warme, feuchte Luft ab. Außerdem sammeln sie Niederschläge zur Bewässerung der Pflanzen und dienen als Kühltürme für Kühlsysteme. Nicht zuletzt sind sie mit einer Aussichtsplattform und der Garden Rhapsody eine der Touristenattraktionen in Singapur und sollen 2018 rund 13 Millionen Besucher angelockt haben.
Superblocks: Spielplätze auf Straßenkreuzungen
Wenn zu viele Autos die Straßen verstopfen und die Luftverschmutzung alle Grenzwerte überschreitet, wirft man die Autos einfach aus der Stadt raus. Diese Idee hatte die spanische Millionenmetropole Barcelona. So schnell und einfach geht es zwar nicht, aber die Stadt in Katalonien hat schon mal angefangen – mit den Superilles, was übersetzt so viel wie Superblocks bedeutet. Der Plan ist, vier bis neun Häuserblocks zu einem Superblock zusammenzufassen. Innerhalb der Blocks werden die Straßen zurückgebaut, 60 Nebenstraßen wurden für den Autoverkehr gesperrt. Nur noch Anwohner und der Lieferverkehr darf passieren – in Schrittgeschwindigkeit. Um die 2x2 oder 3x3 Blocks herum fließt der übliche Verkehr auf den Hauptverkehrsadern am Rand des Blocks entlang.
Die Stadt vom Autoverkehr zurückerobern
Der erste Superblock entstand 2017 im ehemaligen Arbeiterviertel Poblenou – initiiert wurde das Programm von der 2015 zur Bürgermeisterin gewählten Aktivistin Ada Colau. Sie setzte ein junges Team von umweltbewussten Politikern und Städteplanern ein, um den öffentlichen Raum vom Autoverkehr zurückzuerobern. Aktuell gibt es schon sechs Superblocks, am Ende könnten es rund 500 werden. Barcelona ist für den Plan prädestiniert, weil große Teile der Metropole bereits rasterförmig angelegt sind. Um den Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu erleichtern, soll niemand weiter als 250 Meter bis zur nächsten Bushaltestelle gehen – und es gibt 28 neue Buslinien, sodass Warte- und Fahrzeiten extrem gekürzt werden. Außerdem sollen die Katalanen auf das Fahrrad umsteigen: Die Stadt verdreifacht das Radwegenetz bis 2030 auf 300 Kilometer.
Sportkurse auf der Kreuzung
Und der frei gewordene Platz wird bereits vielseitig und kreativ genutzt. Dort gibt es auf einer Straße ein Riesenschachbrett, hier einen Garten mit Sitzbänken, auf vielbefahrenen Kreuzungen finden sich Spielplätze und Bereiche, in denen sich Menschen für Sportkurse im Freien treffen. Die Stadt wird also den Bürgern zum Leben zurückgegeben.
Doch welche nachhaltigen Effekte hat die Innovation genau?
Im Superblock Poublenou hat sich der Verkehr auf die nördliche und die südliche Umgehungsstraße verlagert, innerhalb des Superblocks gibt es kaum noch Verkehr. Das fand der Spiegel mit der Auswertung von Daten des Navigationsanbieters TomTom heraus.
Laut Angaben der Stadt selbst soll in einem der Blocks der Verkehr bereits um 80 bis 90 Prozent reduziert worden sein, ohne dass er auf den Straßen außerhalb der Superblocks mehr als fünf Prozent zugenommen hat.
Eine Studie des Barcelona Institute for Global Health fand heraus, dass die Stadt nach der Realisierung der Superblocks erstmals wieder die Stickstoffdioxid-Grenzwerte der WHO einhalten kann. Derzeit liegen sie regelmäßig bei 47 Mikrogramm pro Kubikmeter und könnten mit 36 Mikrogramm unter den Grenzwert 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Gesenkt werden. Bis 2030 sollen außerdem die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent reduziert werden.
Der Wärmeinsel-Effekt, der die Stadt besonders in den Sommermonaten an einigen Punkten unerträglich aufheizt, hat bereits abgenommen. Mit 2,7 Quadratmetern Grünfläche pro Einwohner haben die Katalanen in der Stadt weniger Grün als in den meisten anderen europäischen Städten (Die WHO empfiehlt neun Quadratmeter pro Person): Durch die Superblocks entstehen 165 Hektar neue Grünflächen, ein Quadratmeter mehr pro Person
Lesen Sie hier auch den ersten Teil der Serie: Es geht um Innovationen wie ein versenktes Rechenzentrum und Bäume an Hauswänden.