Die Deutsche Bahn sieht sich als Vorreiter und tragende Säule der Energiewende in Deutschland: So erklärt das Unternehmen zum Beispiel auf seiner Website: „Nur mit einer starken Schiene sind Deutschlands Klimaziele zu erreichen.“ Dafür will die Bahn ihren CO2 Ausstoß bis 2030 halbieren. Zwanzig Jahre später soll sie sogar komplett klimaneutral sein.
Ein großes Hindernis, das es auf diesem Weg zu überwinden gilt, ist die Tatsache, dass heute gerade mal 61 Prozent des deutschen Schienennetzes elektrifiziert sind, während auf den anderen Strecken weiterhin Dieselloks fahren. Diese emittierten 2015 grob eine Million Tonnen CO2-Äquivalent. Wenn dies so bliebe, müssten diese Emissionen künftig an anderer Stelle wieder aufwendig kompensiert werden.
Die Bahn soll elektrischer werden
Es soll ja aber nicht so bleiben. Um künftig immer weniger auf Dieselloks angewiesen zu sein, will die Bundesregierung den Anteil der Strecken mit Oberleitungen bis zur Mitte dieses Jahrzehnts auf 70 Prozent anheben. Dazu müssten jedoch jährlich 500 Streckenkilometer umgerüstet werden – grob sieben Mal so viel, wie in den vergangenen Jahren geschafft wurde. Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, erklärt darum schon jetzt: "Das Ziel der Bundesregierung ist nicht mehr zu erreichen."
Der Netzausbau ist nicht alternativlos
Andererseits ist die Elektrifizierung der betroffenen Strecken womöglich auch gar nicht so sinnvoll, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Der prozentuale Anteil elektrifizierter Gleisstrecken am Gesamtnetz ist nämlich ein durchaus unvollkommener Maßstab für den Fortgang der Energiewende bei der Bahn. Denn was hier übersehen wird, ist die Tatsache, dass verschiedene Streckenabschnitte auch verschieden intensiv genutzt werden. Die Unterschiede hier sind sogar gewaltig: Auf den knapp 40 Prozent Netz ohne Oberleitung werden nur etwa 8 Prozent der Verkehrsleistung erbracht. So gesehen, stellt sich eher die Frage, ob sich der teure – und übrigens ja auch selbst CO2-intensive – Ausbau des Stromnetzes auf solchen Strecken überhaupt lohnt.
So könnten Brennstoffzellen-Antriebe, die mit Wasserstoff betrieben werden, die beste Lösung sein.
Der steinige Weg zur grünen Schiene
Die Deutsche Bahn hat das Potenzial von Zügen mit Brennstoffzellen-Antrieb bereits erkannt. Gemeinsam mit Siemens Mobility arbeitet das Unternehmen daran, ein solches Modell ab 2024 auf der Strecke zwischen Tübingen und Pforzheim zu testen. Der „Mireo Plus H“ kommt auf eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h und hat (in der 3-teiligen Version) eine Reichweite von bis zu 1000 Kilometern mit einer einzigen Tankfüllung Wasserstoff. Dieser soll mittels Elektrolyse in einer mobilen Tankstelle im DB-Werk Tübingen hergestellt werden. Weil dies mit hundert Prozent grünem Strom geschehen soll, kann das Projekt als CO2-neutral gelten und spart darum auch in der Testphase schon ordentlich Emissionen.
Das Projekt macht Hoffnung auf eine rasche Entwicklung. Gleichzeitig zeigt es im Kleinen bereits die großen Herausforderungen auf, die eine Umstellung auf Wasserstoff für den Schienenbetrieb bereithält. Ersetzte man alle Dieselloks durch Modelle mit Wasserstoff-Antrieb, bräuchte man jährlich etwa 120.000 Tonnen grünen Wasserstoff. Um diesen zu produzieren, braucht man einen Offshore Windpark mit rund 1.200 MW installierter Leistung.
Ein Gewinn für die Wirtschaft und die Umwelt
Es gibt noch einige Herausforderungen, die gemeistert werden müssen, bevor Wasserstoff den Diesel in seine Schranken weisen kann. Und doch könnte es jetzt schneller gehen, als viele zu hoffen gewagt hätten. So geht das Beratungsunternehmen SCI Verkehr davon aus, dass der Anteil an neuen Zügen mit Batterie- oder Wasserstoffantrieb in den kommenden Jahren deutlich ansteigen wird. Demnach sollen schon 2024 fast ein Viertel aller neuen Züge mit einem alternativen Antrieb ausgestattet sein. „Die mithilfe von Wasserstoff- oder Batterietechnologie angetriebenen Züge werden bis Mitte des Jahrzehnts den klassischen Dieseltriebzug im Neufahrzeuggeschäft einholen,“ so die Studie.
Dem Chef von Siemens Mobility, Michael Peter, kann das nur recht sein. Er sieht in Europa großes Potenzial auf dem Gebiet der Wasserstoff-Züge – genauer gesagt „ein Marktpotenzial von 50 Milliarden bis 150 Milliarden Euro.“ Und auch der Betrieb umweltfreundlicher Transportlösungen wird immer lukrativer. So erfreut sich zum Beispiel das „Öko Plus“ Angebot der DB Cargo, bei dem Unternehmen ihre Gütertransporte für einen Aufpreis mit 100% Ökostrom durchführen lassen können, schon heute zunehmender Beliebtheit. Durch steigende CO2-Preise und eine Ausweitung klimaneutraler Transport-Angebote wird sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren wahrscheinlich weiter verstärken und auch den Ersatz von Diesel durch Wasserstoff beschleunigen. Spätestens dann wird sich zeigen, ob die Bahn wirklich in der Lage ist, der Energiewende in Deutschland Dampf zu machen.